Wäre Trump bloss ein rechter Egomane – vieles wäre einfacher

Wäre Donald Trump wirklich bloss der „Zwillingsbruder“ von Christoph Blocher, wie der in die Jahre gekommene „68er“ Daniel Cohn-Bendit übers Wochenende in einem Interview mit dem Zürcher „Tages-Anzeiger“ zum Besten gab, dann müssten wir uns nicht weiter um ihn kümmern. Blocher, ursprünglich auch kein Fan der „Anti-Minarett-Initiative“, hat noch nie einen „Einreisestopp für Muslime“ gefordert. Londons Bürgermeister Boris Johnson wäre für ein Treffen mit Blocher gewiss jederzeit zu haben, ob in Zürich oder London; bezüglich Trump meinte er aber: „Der einzige Grund, warum ich nicht in einzelne Gegenden New Yorks gehen würde, ist die echte Gefahr, Donald Trump zu treffen.“

Trumps Rassismus, seine Fremdenfeindlichkeit, seine Erbarmungslosigkeit
gegenüber den „Sans papiers“, den 11 Millionen Bewohnern der USA ohne legale Aufenthaltsgenehmigung, sein Anti-Intellektualismus, seine Neigung zur Verunglimpfung Andersdenkender, sein Machismus berlusconischer Dimensionen, seine Egomanie, seine Allmachtfantasien, sein Glaube an das Geld, den Reichtum, die absolute Macht des Stärkeren, das Schlechtmachen all dessen, was in „Washington“ beschlossen wird, sein „Populismus“ (eh viel mehr eine Diskursform fast aller und weniger eine inhaltliche Position), seine Kritik an den „etablierten Medien“, derer er aber gut zu bedienen versteht, und sein Hass auf Präsident Obamas unterscheiden ihn in keiner Weise von seinen wichtigsten republikanischen Mitbewerbern um die Präsidentschaft, Jeb Bush III, Marco Rubio und Ted Cruz. In diesen Beziehungen waren alle vier einander sehr ähnlich. Trumps drei Mitbewerber– überlebt hat von ihnen bis heute nur noch Cruz – begannen sich bezeichnender- wie paradoxerweise erst dann von Trumps rhetorischer und manifester Gewaltsamkeit zu distanzieren, als der Durchbruch Trumps schon nicht mehr aufzuhalten war. Dies sagt uns viel über die gegenwärtige politische Kultur in den USA.

Doch ein besonderes Erkennungsmerkmal in der republikanischen Bewegung oder eine Erklärung für Trump’s Triumpfe ist diese nationalchauvinistische Aggressivität nicht. Im Gegenteil, sie wurde durch die „Teaparty-Bewegung“, eine republikanische Reaktion auf den Wahlsieg Obamas von vor acht Jahren, salon- ,beziehungsweise mainstream fähig gemacht. Auf deren Woge kamen 2010 Rubio (für Florida) und 2012 Cruz (für Texas) in den Senat, kehrten bis 2014 die Mehrheitsverhältnisse im Senat und dem Repräsentantenhaus vollständig zuungunsten Obama’s Demokraten – weshalb sie als Plattform für eine erfolgreiche republikanische Präsidentschaftskandidatur nur von einem einzigen Republikaner, dem Gouverneur von Ohio, John Kasich, in Frage gestellt wurde.

Selbst Trumps Hauptslogan „Make America great again !“ („Macht Amerika wieder gross !“) ist übrigens weder neu noch besonders amerikanisch. So meinte der sich selbst als sehr links einstufende, spätere französische Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, im Moment seines relativen Erfolgs (18%) bei den sozialistischen Kandidatenkür an der französischen Tagesschau von „Antenne 2“ auf die Frage, was denn seine Priorität wäre als neuer Staatspräsident: „Il faut réstaurer la grandeur de la France“ („Die Grösse Frankreichs muss wieder hergestellt werden!“). Das brachte denn auch die „New York Times“ auf die interessante These, wonach Trumps Nationalismus eher unamerikanisch und Traditionen näher sei, die viel mehr in Europa beobachtet werden könnten. Trump und Montebourg sprechen damit eine Nation an, die sich subjektiv in einem Niedergang empfindet, die vergangener Bedeutung und Einzigartigkeit nachtrauert. Bei Trump kommt noch die Aktivierung eines ganz subtilen Subtext hinzu, auf die mich der Buchhändler John Streymish in Portsmouth (New Hampshire) aufmerksam machte: „Trump reaktiviert mit seinem Slogan die rassistische Nostalgie nach dem Amerika des Weissen Mannes, dem sich Frauen, Schwarzen und Latinos noch untergeordnet hätten, und in dem auch die Städter, die Intellektuellen, die Multikultis und Experten noch nicht so bedeutend und prägend gewesen wären; ein Amerika, das es so nie gab, dass einige Weisse Männer aber immer gern so gehabt hätten – bis heute.“

Trump’s Trümpfe sind links der Mitte

Doch dies alles kann Trumps Triumpfe in zwei Drittel der Bundesstaaten, in denen sich die Bürgerinnen und Bürger bisher zur Auswahl der Kandidaten äussern konnten, noch nicht erklären. Ebenso wenig der enorme Widerstand gegen Trump unter dem republikanischen Establishment der Bundeshauptstadt Washington. Und schon gar nicht die Warnung der linksten unter den demokratischen Senatorinnen, der früheren Professorin Elisabeth Warren aus Massachusetts, die Demokratische Partei solle Trump nicht unterschätzen: „Die Wahl zwischen Trump und Hillary Clinton am 9.November wäre alles andere als im voraus schon gewonnen. Er ist viel gefährlicher für uns, als sich die meisten unter uns Demokraten bewusst zu sein scheinen.“ Eine These, die auch der amerikanische Schriftsteller, Douglas Kennedy, bekräftigt. (Im „Hebdo“ vergangener Woche)

Elisabeth Warren nannte im Interview mit dem „Boston Globe“ die wichtigste von mindestens vier Positionen, welche sich bisher als Trumps Trümpfe erwiesen haben und für die breite Basis sorgten, die er bei vielen Wählern und bei etwas weniger Wählerinnen fand und die allen anderen Republikanern fehlte: „Neben all dem Hass, der Fremdenfeindlichkeit und dem Ärger, redet er auch von einigen wichtigen wirtschaftlichen Missständen, und zwar anders als alle anderen Republikaner.“ Warren nannte insbesondere Trump’s Ansicht, dass Hedgefonds –Manager ihre Gewinne genau so versteuern sollten wie andere ihr Einkommen; das entsprechende Gesetz aus den Dreissiger Jahren also endlich geändert werden sollte – wie dies unter den Präsidentschaftskandidaten sonst nur der (Sozial)Demokrat Bernie Sanders verlangt.

Ähnlich kritisch wie Sanders ist Trump auch gegenüber den Freihandel-sabkommen mit China, Mexiko, Japan oder Südkorea, die er für den Verlust von Millionen von anständig bezahlten Arbeitsplätzen verantwortlich macht. Er verspricht, sie alle aufzukündigen und entweder mit besseren „Deals“ neu zu arrangieren oder gleich sein zu lassen und dafür neue Importzölle, beziehungsweise Investitionen im Ausland steuerlich besonders zu belasten. Damit stellt Trump eine Politik in Frage, die zu den Heiligtümern des demokratischen und republikanischen Establishments gehören.

Zweitens positioniert sich Trump auch sozialpolitisch weit links des republikanischen Mainstreams. Er ist kein Gegner von Abtreibungen. Er will die im europäischen Vergleich eh bescheidene Sozialhilfe nicht in Frage stellen. Und vor allem wehrt er sich auch nicht grundsätzlich gegen die Einrichtung einer Krankenversicherung. Selbstverständlich will er diese besser machen als Präsident Obama und dessen Varianten mit mehr Markt und weniger bundesstaatlichem Protektionismus verbessern – doch er stellt das Prinzip nicht in Frage wie seine von der Teaparty geprägten und getriebenen Mitbewerber.

Drittens spart Trump als einziger wiederum neben Bernie Sanders auch nicht an Kritik an der „korrupten Wahlkampf- und Politikfinanzierung“. Er verhöhnt sogar all die Lobbyisten und den Lobbyismus, denen er früher als Baulöwe und Siedlungsentwickler selber gefrönt hatte. Diese hätten aber viel zu viel Einfluss in Washington, würden dort für Verwirklichung von Sonderinteressen statt dem Common Sense sorgen und seien deshalb zurück zu drängen. Dann preisst Trump jeweils seinen grossen Reichtum, der ihm erlaube, seinen Wahlkampf selber zu finanzieren und garantiere, dass er der „Mainstreet“ statt der „Wallstreet“ folge und keine Scheu habe, deren Privilegien abzuschaffen.

Und viertens kratzt Donald Trump als einziger Republikaner am Tabu G.W.Bush, seiner Intervention in Irak und sogar an deren Begründung, in dem er den letzten republikanischen Präsidenten ganz offen und mitten im Wahlkampf in einem sehr militärfreundlichen Bundesstaat South-Carolina als „Lügner“ bezeichnete. Der Einmarsch im Irak sein ein ganz grosser Fehler gewesen und hätte die ganze Region nachhaltig destabilisiert und mit dem Talibans, der Alquaida und dem ISIS die fanatischen Milizen erst geschaffen, die bis heute die Welt terrorisierten. Entsprechend „isolationisch“ ist denn auch Trumps Folgerung. Er wendet sich gegen die USA als „Weltpolizist“, möchte weniger militärische Eskapaden, stellt sogar die Nato in Frage und möchte, dass die profitierenden Saudis, Europäer und andere Nationen viel mehr für die sicherheitspolitischen Dienstleistungen bezahlen, welche die USA erbringen.

Mit diesen wirtschafts-, sozial- , staats- und sicherheitspolitischen Brüchen mit der republikanischen Doktrin und den entsprechenden Anleihen von und Anlehnungen an links schuf sich Trump eine eigene Marke, die bei vielen nichtprivilegierten Männern jeglicher Hautfarbe sehr gut ankommt. Er trifft dabei im Land weit verbreitete Haltungen, Einstellungen und Stimmungen, welche von der offiziellen Politik völlig unterschätzt worden sind. Es sind im übrigen genau jene Stimmungen, die auch den Erfolg Bernie Sanders erklären. Sie machen eine mögliche Ausmarchung mit Hillary Clinton weit offener, als sich viele Europäerinnen und Europäer bewusst zu sein scheinen.

Andi Gross

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