Der vergangene Dienstag brachte bei den Demokraten wie den Republikanern die erwarteten Vorentscheidungen im Kampf um die Nomination der Kandidaten zur Wahl US-Präsidenten vom kommenden November. Doch, beziehungsweise gerade deswegen, zeichnet sich für die kommenden Woche eine grosse Überraschung ab: Die Kandidatur einer dritten Person, wohl eines Mannes aus dem Kreise der moderaten, etablierten Republikaner, die den Erfolg des als Kandidaten nicht mehr zu verhindernden Donald Trump praktisch unmöglich machen wird.
Bei den Demokraten konnte sich die frühere Aussenministerin Hillary Clinton in allen fünf Bundestaaten mit über 61 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern durchsetzen. In Florida und Ohio deutlicher als erwartet, in North Carolina mit einem hohen Anteil schwarzer Frauen unter den demokratischen Wählern etwas weniger klar als erwartet sowie in Illinois und Missouri nur sehr sehr knapp. Damit brach sie den Schwung und die Zuversicht, welche Senator Bernie Sanders eine Woche zuvor mit seinem Gewinn bei den Autoarbeitern geschaffen hatte. Clintons Nominierung am Parteitag im Juli in Philadelphia zeichnet sich damit ab. Ihr Vorsprung an Delegiertenstimmen gegenüber Bernie Sanders ist heute schon deutlich grösser als 2008 jener des dann siegreichen damaligen Senators aus Ohio, Barak Obama, ihr, der damaligen Senatorin aus New York, gegenüber.
Das heisst jedoch nicht, dass der ausgesprochen linke, sozialdemokratische Senator aus Vermont die Segel streichen wird. Ganz im Gegenteil. Auch die knappen Niederlagen illustrieren die enorme Zustimmung (80%), die er bei den Wählerinnen und Wählern findet, die weniger als 40 Jahre alt sind; fast ebenso stark getragen wird er von gut ausgebildeten Intellektuellen und etwas weniger ausgeprägt von den weissen Arbeitern im Uebergwändli, deren Reallöhne seit Jahren stagnieren, teilweise sogar abnehmen und die sich über ihre wirtschaftliche Zukunft grosse Sorgen machen. Von diesen Bevölkerungsgruppen gibt es in den Bundesstaaten, die in den kommenden Wochen ihre Kandidaten bestimmen sehr viele (Arizona, Kalifornien, Pennsylvania, New York ua); Sanders weiss, dass er dort weiterhin gute Ergebnisse erzielen kann. Zudem haben auch seine innerparteilichen Gegner gemerkt, dass die sehr differenzierten und substanziellen Debatten mit Sanders Hillary Clinton zu einer immer besseren Kandidatin haben reifen lassen. Sie vermag je länger je überzeugender zu argu-mentieren, nimmt heute auch mehr als noch vor wenigen Wochen sozialkritische Anliegen auf und beginnt, sich auch dessen Wallstreet-Kritik zu eigen zu machen. Kurz: Sanders hilft Clinton, sich besser auf einen Wahlkampf mit Trump vorzubereiten. Ebenso trägt Sanders Fähigkeit, Jüngere zu beflügeln zu einer besseren Mobilisierung der Demokraten bei, was im Hinblick auf den herbstlichen Hauptgang Clinton auch nur recht sein kann.
Bei den Republikanern konnte sich Trump trotz enormer Kritik und TV-Anti-Werbespotts im Wert von allein in Florida 60 Millionen Dollars im grossen Südstaat ausgezeichnet behaupten. Der früher von der extremen Teaparty Bewegung getragene Senator aus Florida, Marco Rubio, verlor auf Trump fast 20 Prozentpunkte – ein Debakel, das ihn sofort zur Aufgabe zwang, was von vielen auch mit dem Ende seiner politischen Laufbahn gleichgesetzt wird.
Demgegenüber gewann der Gouverneur von Ohio, John Kasich, die Nomination zum Präsidentschaftskandidaten in seinem Staat. Damit hielt sich der ausgesprochen vernünftig, integrativ und besonnen auftretende Anti-Trumpist im Rennen. Kasich dürfte trotz seines grossen Rückstandes bei der Zahl der Delegierten auch beim republikanischen Parteitag in Cleveland (Ohio) noch eine wichtige Rolle spielen: für den Fall, dass Trump die absolute Mehrheit der Delegiertenstimmen nicht ganz schafft ,als Alternative zu ihm, für die sich in den weiteren Wahlgängen des Parteitages eine neue Mehrheit der Delegierten finden könnte; sei es für den Fall, dass Trump mit einer absoluten Mehrheit der Delegierten an den Parteitag kommt und so die Nomination auf sicher hat, als „dritter Mann“, der sich mit der rudimentären Legitimität als zumindest in einem sehr wichtigen Bundesstaat von der Mehrheit des Volkes unterstützter Kandidat als „Unabhängiger Republikaner“ aufstellen lässt. So würde er im November die Republikaner spalten, was Trump verunmöglichen würde, mehr Wählerstimmen zu gewinnen als Hillary Clinton und dieser die US-Präsidentschaft fast schon im voraus sichert.
Damit würde sich im Herbst 2016 etwas Ähnliches wiederholen, was vor genau 104 Jahren schon mal den Demokraten zur für sie damals sehr seltenen US-Präsidentschaft verhalf: Der ehemalige republikanische Präsident Theodor Roosevelt (1858-1919,Präsident von 1901-1908) war am republikanischen Parteitag 1912 dem republikanischen Amtsinhaber Taft unterlegen und konnte dessen Kandidatur für eine zweite Amtszeit nicht verhindern. Worauf Teddy Roosevelt für eine neue „progressive“ Partei kandidierte, an der Wahl mehr Stimmen holte als Taft (27,4 Prozent gegenüber 23,2 Prozent), beide aber vom Demokraten Woodrow Wilson überflügelt wurden. Dieser wurde so mit einem Stimmenanteil von nur 41,8 Prozent US-Präsident – fast zehn Prozent weniger als die zusammengezählten Stimmenanteile der beiden Konkurrenten, die wenige Monate zuvor noch Mitglieder der gleichen republikanischen Partei gewesen waren.
Die gegenwärtige Nummer 2 unter den republikanischen Kandidaten, Senator Cruz aus Texas, der vergangene Woche in zwei Staaten Trump sehr nahe kam, ist für viele keine echte Alternative zu Trump: Cruz ist noch reaktionärer und fundamentalistischer als dieser und bei der republikanischen Mehrheit zumindest fast so unbeliebt. Er könnte auch dann keine Alternative zu Trump werden, wenn er in den folgenden Wahlgängen massiv Delegierte zulegen und seinen doch grossen Rückstand zu Trump aufholen könnte. Wie Trump könnte Cruz in der Wahl im November das Feld der mittlerweile sehr zerklüfteten Republikaner nicht hinter sich einen und hätte gegen Hillaray Clinton
keine Chance.
Verschiedene Gruppen konservativer Republikaner haben sich vorgestern getroffen mit dem Ziel, Strategien zu entwerfen, um die Wahl eines Donald Trump zum US-Präsidenten zu verhindern. Eine Gruppe um den einflussreichen konservativen Publizisten Erick Ericksson traf sich in einem Army- und Navy-Club in Washington mit dem klaren Ziel, für den Fall, dass die Kandidatur Trumps nicht mehr zu verhindern sei, dann doch wenigstens sofort mit dem Aufbau eines dritten Kandidaten zu beginnen, angesichts dessen Trump seine Chancen schon im voraus vergessen könne.
Eine andere Widerstandsgruppe formierte sich 1600 Kilometer südlicher in Florida um reiche republikanische Geldgeber und gestandene Konservative. Zur Drohung Trumps, es würden in allen Regionen des Landes, gewaltsame Unruhen ausbrechen, wenn er mit der grössten Anzahl Delegierter nach Cleveland komme und dennoch nicht nominiert würde, meinte einer aus der Runde von Florida:“ Abraham Lincoln musste 1860 am Parteitag auch drei Wahlgänge über sich ergehen lassen bis er Kandidat der Republikaner für das US-Präsidium wurde; was für Lincoln gut war sollte heute allen Kandidaten billig sein und zwar ohne irgendwelche Drohen, Gewalt zu provozieren.“